Markus 7, 1-21 : Die Pharisäer und einige Schriftgelehrte, die aus Jerusalem gekommen waren, hielten sich bei Jesus auf. Sie sahen, dass einige seiner Jünger ihr Brot mit unreinen, das heisst mit ungewaschenen Händen assen. Die Pharisäer essen nämlich wie alle Juden nur, wenn sie vorher mit einer Hand voll Wasser die Hände gewaschen haben, wie es die Überlieferung der Alten vorschreibt. Auch, wenn sie vom Markt kommen, essen sie nicht, ohne sich vorher zu waschen. Noch viele andere überlieferte Vorschriften halten sie ein…
Eine masslose Sorge um strikte Gehorsamkeit, was die im Lauf der Jahrhunderte angehäuften Gesetze und Gebräuche anging, führte dazu, dass das spirituelle Leben der Pharisäer unerträglich wurde. 613 Vorschriften engten den treuen Juden wie an einem Pranger ein. Das buchstabengetreue Befolgen von Vorschriften tötete den Geist und Sinn des Gesetzes. In dem Moment, wo man getreu die lange Liste der Regeln befolgte, betrachtete man sich als rein in den Augen Gottes, man war perfekt, man konnte mit sich selbst zufrieden, zurücklehnen: was konnte Gott den so gewissenhaften Praktizierenden vorwerfen? Eben genau das Wesentliche: den Mangel an Liebe!
Jesus sagt uns: Die rein menschlichen Traditionen (auch wenn sie nicht ohne Wert sind) und die Ansprüche der göttlichen Gebote, namentlich das grosse Gebot der Liebe, können nicht mit derselben Elle gemessen werden.
Dieses Evangelium hat nicht nur den Verdienst, Frömmelei offenzulegen, es zeigt uns auch Interessantes und Erhellendes zur wahren Schuld auf. Die kleinlichen Ansprüche der Pharisäer und gewissen christlichen Moralaposteln konnten schmerzhafte und destruktive Schuldgefühle verursachen. Fühlt euch nicht schuldig, wenn ihr es nicht seid, sagt Jesus. Ihr habt durch ein unbedachtes Wort eine Person verletzt, welches ein schwieriges Problem ihres Lebens betraf, von dem ihr nichts wusstet. Ihr seid nicht schuldig, auch wenn ihr dieses Gefühl habt.
Einmal eine wahre Schuld anerkannt, öffnen wir uns der Vergebung Gottes durch eine aufrichtige Reue: es ist unnütz, zu beichten, wenn wir nicht die bestimmte Absicht haben, uns zu bessern.
Die dritte Lektion dieses Evangeliums ist die Gnade der Loyalität, die uns erlaubt, unsere wahren Beweggründe und unsere wahre Schuld zu erkennen, um die dunklen Seiten unseres Herzens zu erhellen. Die Loyalität, die sich nicht scheut, Gott zu bitten, uns über uns selbst zu erhellen: wir sind nicht die bestplatzierten, um unsere Schwächen zu sehen. Wie das arabische Sprichwort schon sagt: Das Kamel sieht seinen Höcker nicht.
Marco Cattaneo, Direktor